Sonderschau: Gunter Ullrich

Die Sonderschau wird in diesem Jahr dem Grafiker und Maler Gunter Ullrich gewidmet, der am 07. April seinen 92. Geburtstag in Aschaffenburg feierte. Der mehrfach ausgezeichnete Kunst- und Kultur-preisträger der Stadt Aschaffenburg setzt sich künstlerisch insbesondere mit seiner fränkischen Heimat auseinander. Bekannt ist er für seine druckgrafischen Landschaftsdarstellungen, seine gesellschaftskritische  „Stuhl-Serie“  und  die Werkreihe  „Würzburg  brennt“,  in  der  er  die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Gleichzeitig prägte der lebensfrohe Künstler die Aschaffenburger Kulturlandschaft aktiv durch sein langjähriges Engagement.

Gunter Ullrich in seinem Aschaffenburger Atelier (um 1990)

Als während der Nachkriegszeit das kulturelle (Er-)Leben  in  der   Stadt   nahezu  stillstand,  setzte Ullrich alle Hebel in Bewegung: Er kämpfte für die Anerkennung  fränkischer Künstler und  war Mitbegründer der Künstlergruppe „Kontakt“ (1962-1967). In einer Zeit in der die Abstraktion in der Kunst dominierte, sprach sich die Gruppe für eine gegenständliche Darstellungsweise aus. Gunter Ullrich setzte sich für geeignete Ausstellungsmöglichkeiten im Raum Aschaffenburg ein.  Seine  Bemühungen  und  die  enge Zusammenarbeit mit Vertretern der Stadt führten dazu, dass die im Krieg zerstörte Jesuitenkirche (ab 1976) in eine Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst umgewandelt wurde. 

Er war Gründungsmitglied und Vorsitzender des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) in Aschaffenburg, der den Künstlern ein stärkeres öffentliches Auftreten in der Stadt ermöglicht. Neben seiner Initiative für zeitgenössische Künstler, rief Ullrich auch das Werk Ernst Ludwig Kirchners wieder ins Bewusstsein der Menschen. Der in Aschaffenburg gebürtige Expressionist lebte aufgrund der Verfolgung in der NS-Zeit im Schweizer Luftkurort Davos, wo er nach dem Krieg in Vergessenheit geriet.  Durch   seine länderübergreifenden Vorträge sorgte Ullrich für ein wachsendes Interesse an Kirchner und an der expressionistischen Malerei.

Gunter Ullrich, Der Andere, Farblinolschnitt (1993)

Klare Ausdrucksformen

Ullrichs persönliche künstlerische Gestaltungsweise orientierte sich an Künstlern der klassischen Moderne, wie Paul Cézanne oder den Malern der „Brücke“. Begriffe wie „Klarheit“ und „Einfachheit“ spielen in seinem Werk immer wieder eine Schlüsselrolle. Seit den 1950er Jahren befasst er sich insbesondere mit der Technik des Holz- und Linolschnitts: „Im spröden Holz, das sich vor allem virtuosen Spielereien widersetzt, fand ich das adäquate Material.“, hielt Ullrich in einem seiner Notizhefte fest.  Neben den Künstlern des deutschen  Expressionismus  zählen  auch ostasiatische    Druckgrafiker wie Hokusai oder Hiroshige zu seinen wichtigen Vorbildern. Ab Ende der 1960er Jahre beschäftigte er sich vermehrt mit der Farbradierung. Durch die Anwendung einer speziellen Lasurtechnik entstanden seine für ihn so charakteristischen Druckgrafiken. Den lasierenden Farbauftrag erweiterte Ullrich in den 1970ern durch die sog. Zucker-Absprengtechnik. Auf diese Weise entstand  seine  berühmte  Serie  von  Main-landschaften, die einen Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens bildet. Einen weiteren Höhepunkt bildet die Entwicklung der auf ihn zurückgehenden  Linolätzung  bzw.  des Linoltiefdrucks. Auch in Zukunft experimentiert Ullrich offen mit drucktechnischen Verfahren und perfektioniert sein künstlerisches Handwerk.

Gunter Ullrich, Würzburg brennt, Farblinolschnitt (1960)

Frühe Jahre und Kriegserlebnisse

Ursprünglich stammt Gunter Ullrich aus Würzburg und war Sohn des kulturell aktiven Lehrerehepaars Heinrich und Emma Ullrich. Zu ihrem Freundeskreis gehörten auch bildende Künstler wie die Familie Schiestl. Schon in frühen Jahren durfte Ullrich im Unterricht seines Vaters mit den anderen Schülern modellieren und zeichnen. Maßgeblich beeinflusst wurde Ullrich durch den Zeichenunterricht bei Heiner Dikreiter, dem späteren Direktor der Städtischen Galerie Würzburg. 

Gunter Ullrich schrieb sich 1942 nach dem vorgezogenen Abitur als Student der Kunst-geschichte an der Universität Würzburg ein. In den folgenden  drei  Monaten  brachte  ihm  der Kunsthistoriker Kurt Gerstenberg den Renaissance-Künstler Albrecht Dürer näher. Sein heimliches Interesse galt bereits damals den Impressionisten und Expressionisten, die zu den „entarteten Künstlern“ gezählt wurden. Seine Pläne wurden ab 1942 aufgrund des Kriegsdiensts durchkreuzt: Er kämpfte bei den Panzertruppen in Südfrankreich und später in Russland. Trotz einer Kriegsverletzung an der rechten Hand, zeichnete Ullrich unermüdlich mit links weiter. In einem Lazarett unweit der Kurischen Nehrung (Litauen) hielt der junge Künstler seine Eindrücke detailgetreu auf Papier fest. Seit 2002  erinnern  Ullrichs  Zeichnungen  in  Form einer Dauerausstellung  in  Kelme  (Litauen)  an  die Kriegsereignisse der damaligen Zeit. 

Im Januar 1945 überlebte Ullrich eine verheerende Panzerschlacht in Ostpreußen und kehrte in Folge dessen nach Deutschland zurück. Dort erfuhr er von dem Luftangriff auf Würzburg am 16. März 1945 und wurde kurze Zeit später selbst Zeuge der zerstörten Stadt. Erst ab den 1960er Jahren verarbeitete Ullrich den Luftangriff und seine Kriegserlebnisse u.a. in der Werkreihe „Würzburg brennt“: Das Hauptwerk dieser Serie bildet der Farblinolschnitt „Die Apokalyptischen Reiter über Würzburg“, an dem der Künstler von 1965 bis 1972 immer wieder arbeitete. 

Nach Kriegsende wurde Ullrich in ein Kriegs-gefangenenlager in Marseille und später im Elsass interniert. Während seiner Inhaftierung war Ullrich von der Wirkung des südlichen Lichts und der Intensität der Farben in der Provence beeindruckt. Diese Eindrücke sollten ihn auch auf seinen späteren Reisen nach Italien, Frankreich und Spanien immer wieder faszinieren und künstlerisch beeinflussen. Ab den 1950er Jahren entstanden dabei zahlreiche Zeichnungen und Aquarelle, die seinem Gesamtwerk einen mediterranen Charakter verliehen.

Gunter Ullrich und Ursula Ullrich-Jacobi bei der gemeinsamen Arbeit (1985)

Ausbildung in München und das Künstlerehepaar Ullrich

In München begegnete Ullrich während  seiner Ausbildung zum Kunstpädagogen (1948-1952) seiner späteren Ehefrau Ursula Jacobi. Dort heiratete er die Bildhauerin und Tochter des aus Berlin stammenden  Komponisten  Wolfgang  Jacobi (1894-1972). Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung siedelte die Familie nach Aschaffenburg über, wo Ullrich an der Oberrealschule (dem heutigen  Friedrich-Dessauer-Gymnasium)  seine Arbeit als Kunsterzieher aufnahm. Fortan lebte das Künstlerehepaar mit Sohn Andreas in der neuen Heimat und wirkte aktiv am Kunstgeschehen der Stadt mit. Gemeinsam waren sie an zahlreichen Kunstprojekten im öffentlichen Raum beteiligt: Sie gestalteten  u.a.  das  Bronzeportal  des Aschaffenburger Rathauses und arbeiteten am steinernen Kriegerdenkmal für Rothenbuch.

Kunstpädagogik als Berufung und Zusammenarbeit mit Anton Bruder

Wie wichtig für Ullrich Kunst und Kultur sind, vermittelte  er  als  Kunsterzieher  an  der Oberrealschule in Aschaffenburg seinen Schülern. Mit  großer  Begeisterung,  Engagement  und außergewöhnlichen Arbeitsmethoden lehrte er seine Schüler, die Dinge genau zu beobachten und wahrzunehmen und ihre eigene Kreativität zu entwickeln. Er fand einen gleichgesinnten Lehrer im Kollegium: Die Freundschaft mit dem böhmisch-deutschen Maler  und  Grafiker  Anton Bruder (1898-1983) prägte ihn fortan. Dieser hatte in Prag und Dresden studiert und verschrieb sich vor allem dem Expressionismus. Anton Bruders Erfahrungen und künstlerische Techniken beeinflussten alsbald nicht nur Gunter Ullrichs eigene Arbeitsweise, sondern auch den praktischen Schulunterricht. 

Gemeinsam verliehen die beiden Freunde und Kollegen dem Kunstunterricht einen neuen und positiveren Stellenwert. In Folge wurde Ullrich von 1967  bis  1980  Bezirksvorsitzender  der Kunsterzieher von Unterfranken. Ihm zu Ehren finden sich im Jahrbuch 1983/84 des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums die folgenden bewundernden Worte: Er hat die „Fähigkeit, als selbst unentwegt Lernender seine künstlerischen Einsichten an die Jugend weiterzugeben, ohne die kreative Individualität des einzelnen einzuengen“. Nach über dreißig Jahren Lehrtätigkeit wurde Ullrich 1984 pensioniert und arbeitet seitdem als freischaffender Künstler in seiner Druckwerkstatt. 

Als langjähriger Vorsitzender des Frankenbunds setzte sich Ullrich auch zum Ziel, die kulturbezogene Erwachsenenbildung in Aschaffenburg zu fördern. Durch zahlreiche Vorträge und Exkursionen im In- und Ausland begeisterte er seine Zuhörer für die Welt der Kunst.

Auszeichnungen

Als Dank für seine unermüdliche Initiative im künstlerischen und kulturellen Bereich wurde Ullrich mehrfach ausgezeichnet, wie z.B. 2002 mit der Verdienstmedaille  des  Verdienstordens  der Bundesrepublik  Deutschland.  Zu  seinem  90. Geburtstag wurde ihm 2015 der Bayerische Verdienstorden verliehen. Internationales Ansehen erlangte  Ullrich  durch  seine  zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen und Ehrungen mit dem Premio Internazionale Di Pittura in Garda (1969 und 1970).Gunter Ullrich Stiftung Aschaffenburg (GUSA)

2014 gründete die Familie Ullrich mit Vertretern der Stadt Aschaffenburg die Gunter Ullrich Stiftung (GUSA), welche seither im Besitz von über 550 Grafiken ist. Die Stiftung bewahrt sein künstlerisches Werk und setzt sich wissenschaftlich damit auseinander. Die Gunter Ullrich Stiftung ermöglicht auch zukünftigen Generationen einen Einblick in sein Lebenswerk und ehrt damit das künstlerische Wirken einer faszinierenden Persönlichkeit.

Literaturangabe und Kontaktdaten:

Gunter Ullrich. Graphiker und Maler, Hrsg.: Museen der Stadt Aschaffenburg, Benedictpress, Vier-Türme GmbH, Abtei Münsterschwarzach, 2015. Bearbeitet von Thomas Ratzka, Germar Zieroff, mit einem Beitrag von Susanne von Mach.
http://www.gunter-ullrich-stiftung.de / gusa@museen-aschaffenburg.de